Die Böller knallten wieder. Dann ein Pfiff. Hu, wie der übers Land rollte! Und das Poltern, das hinterher kam, und hinter den Häusern breit aufsteigender schwarzer Rauch, der den Himmel verdreckte.
"Und das jeden Tag so?" fragte die Dorth.
"Jeden Tag, natürlich."
"Wie schön war's früher."
Hinten sah man den Zug laufen - gerade wo er an der Eulenmühle vorbeizog.
"Es war so schön still gewesen draussen an der Eulenmühle, früher."
"Entwicklung, Dorthchen - was fragt die nach schön und still. Die fragt nur nach dem was notwendig ist."

(Wilhelm Holzamer "Vor Jahr und Tag")
 
Die Rheinhessen und ihre Eisenbahn - nirgends wurde das Verhältnis besser beschrieben als in Wilhelm Holzamers Roman "Vor Jahr und Tag".
Schnell fanden die Menschen sich mit der "Entwicklung" ab und begannen die Eisenbahn doch irgendwie ins Herz zu schliessen.
 
Bald hatten viele Nebenbahnen liebevolle Kosenamen:
 
So gab es ein AMICHE, das von Alzey nach Bodenheim fuhr.
Zwischen Sprendlingen und Fürfeld war das BAWETTCHE unterwegs und von Nierstein nach Köngernheim dampfte das VALTINCHE.
Auf den Gleisen zwischen Worms und Offstein verkehrte ein WISSEGICKEL und im Selztal kannte jeder das ZUCKERLOTTCHE.
 
All diese Strecken sind längst stillgelegt, die Gleise sind entfernt und immer weniger Menschen haben den Eisenbahnbetrieb auf den rheinhessischen Nebenbahnen noch selbst miterlebt.
 
Damit nicht alles in Vergessenheit gerät, soll hier in Wort und Bild an diesen Teil der Geschichte Rheinhessens erinnert werden.
 
Gunther Höbel