GICKELCHE

Man liebte die Gemütlichkeit in guten, alten Zeiten...


Bahnhof Westhofen
 
Die Verwunderung auf dem Westhofener Bahnsteig war groß als eines morgens ein weißer Zug einfuhr.
Unterwegs gab es nämlich eine kleine Kollision mit einem Pferdefuhrwerk. Dieses kam mit Mehl beladen aus einer Osthofener Mühle und aufgrund des dichten Nebels dem parallel zur Straße laufenden "Gickelche" dann doch etwas zu nahe.
 

Gickelchens letzte Fahrt am 31. Dezember 1958
 
Erste Pläne des Generalunternehmers und SEG-Gesellschafters Hermann Bachstein für eine Eisenbahnlinie zwischen Osthofen und Westhofen gab es bereits 1880; sechs Jahre später erhielt er die Konzession für den Bau und nach zwei weiteren Jahren konnte der erste Zug rollen.
Ursprüngliche Pläne, die Bahn über Gundersheim bis Kirchheimbolanden zu verlängern, scheiterten aus Kostengründen und am geringen Interesse der Staaten Hessen und Bayern.
 

 
Wie auf den meisten anderen Nebenlinien war der Zuspruch im Personenverkehr nie besonders hoch (meist waren nur 5 oder 6 Zugpaare am Tag unterwegs).
Güterverkehrkunden waren die Möbelfabrik von Ludwig Kraft (mit eigenem Anschlussgleis) sowie einige Landhandelsgesellschaften - mit der Schließung der Lorscher Mühle im Jahre 1936 ging hier allerdings der größte Kunde verloren.
 

Schweineverladung am Haltepunkt Mühlheim
 
Der Verkehr wurde mit 2 bis 3 Dampflokomotiven, ebensovielen Personenwagen und 3 bis 4 Güterwagen bewältigt. Ein 1925 zugewiesener Triebwagen für den Personenverkehr wurde 1927 wieder abgezogen.
Ab Januar 1953 ging die Bertiebsführung an die Deutsche Bundesbahn. Diese stellte im April 1953 den Personenverkehr und mit dem Ende der Zuckerrübenkampagne 1958 auch den Güterverkehr ein.

Westhofen liegt am Seebachquell
umrahmt von Rebenhügel.
Dahin fuhr in der alten Zeit
gar tapfer einst ein Zügel.

Huh! Huh! So schnaubt' es durch das Tal
zur allgemeinen Freude,
befördert' Güter groß und klein
und all die vielen Leute.

Ja, Sitzplatz gab es noch und noch,
man brauchte nie zu stehen:
und reist' ein junges Pärchen mit -
im Tanz konnt' es sich drehen!

Die Stundenkilometerzahl
war mehr als wie bescheiden! -
Man liebte die Gemütlichkeit
in guten, alten Zeiten!

Die Zeit vergeht, man weint ihr nach
gar manches heißes Tränchen.
Die Bundesbahn hat schnell kassiert
Westhofens Eisenbähnchen.

(Westhofener Karnevalszeitung 1956)


Literaturhinweise
Ertel, Georg Jakob Das "Gickelche" - Die Westhofener Eisenbahn, Westhofen 2002
Borchmeyer, Walter 40 Jahre Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft, Essen 1935 (Nachdruck Darmstadt 1995)
Lehr, Helga Das Westhofer "Gickelche", In: Alzey-Worms: Heimat-Jahrbuch. - 39 (2004), S. 66-68
Wolff, Gerd Deutsche Klein- und Privatbahnen. Band 1: Rheinland-Pfalz / Saarland; Freiburg 1989