KREUZNACH - ST.JOHANN

"Kreiznacher Elektrisch"



 
Am Anfang des letzten Jahrhunderts gab es in der Stadt Kreuznach Bestrebungen eine Überland-Straßenbahn über Pfaffen-Schwabenheim, Badenheim und Sprendlingen nach St. Johann zu bauen - die Linie sollte damit 14 Kilometer über rheinhessisches Gebiet führen.
In den meisten Gemeinden war man von dieser Idee sehr angetan, denn mit der Straßenbahn sollte auch die Elektrizität in die Dörfer kommen. Lediglich die Sprendlinger Geschäftsleute befürchteten, dass die Kundschaft sich nun verstärkt nach Kreuznach wendet.
Auch die hessische Staatsregierung legte der Sache so manchen Stein in den Weg:
Das Teilstück Kreuznach - Pfaffen-Schwabenheim war bereits vollendet und die Straßenbahnwagen standen bereit. Die hessische Regierung erteilte jedoch noch keine Erlaubnis zum Fahrbetrieb, da die Wagen noch nicht abgenommen waren und noch keine Betriebsordnung existierte.
Hierzu bemerkte der "General-Anzeiger" am 17.August 1912:
 
"Die Strassenbahn muß also aus diesem Grunde auf die Einnahmen während der Jahrmarktstage auf der hessischen Strecke verzichten und die Jahrmarktsbesuscher müssen neben den Gleisen zu Fuß zum Jahrmarkt pilgern, allerdings können sie den Heimweg diesmal besser finden, weil sie sich nach den Schienen richten können."
 
Ende Oktober kam die Genehmigung dann doch und die Strecke wurde in mehreren Teilabschnitten bis zum 21. Dezember dem Verkehr übergeben.
Insbesondere die Schüler der höheren Bürgerschule in Sprendlingen konnten jetzt bequemer zur Schule kommen, denn vorher mussten sie zumeist laufen...
 

Am Bahnhof Sprendlingen, 1950
 
Da die Strecke der Straßenbahn zum Teil parallel zur Bahnlinie Sprendlingen - Fürfeld lief, waren die Eisenbahner auf die Straßenbahner zunächst nicht gut zu sprechen.
So musste die "Elektrisch" bei Badenheim das "Bawettche" mittels einer Brücke überqueren - den Honoratioren, die an der Straßenbahn-Eröffnungsfahrt teilnahmen, schien die Sache etwas zu gefährlich; sie stiegen kurz vor der Brücke aus.
 

Die "Elektrisch" überquert das "Bawettche"
(zwischen Sprendlingen und Badenheim)
 
14 mal am Tage fuhr die "Elektrisch" hin und zurück.
Zwischen Bosenheim und Sprendlingen wurden planmässig Postsendungen befördert. Darüberhinaus gab es auch Güterverkehr: Entlang der 15,35 Kilometer langen Strecke existierten fünf Privatanschlussgleise.
In Badenheim gab es ein Anschlussgleis zum "Bawettche", in Sprendlingen wurde die Staatsbahnstrecke durch eine Rollbockgrube (die Straßenbahn war mit 1000 mm Spurweite unterwegs) angebunden. Hierfür standen vier Rollwagen und eine Ellok zur Verfügung.
 
1953 - im selben Jahr wie das "Bawettche" - wurde die Überland-Straßenbahn stillgelegt.
 

Endstation St. Johann, 1950
 
Literaturhinweise
Brumm, Rudolf Die Kreiznacher Elektrisch 1906 - 1953, Eine Zusammenfassung über Planung, Bau und Betrieb der Kreuznacher Straßen- und Vorortbahnen, Bad Kreuznach, 1977
Höltge, Dieter Deutsche Straßen- und Stadtbahnen, Band 4 - Rheinland Pfalz / Saarland, Gifhorn 1981